Industrie 4.0 ist allgegenwärtig. Zumindest auf Messen, Veranstaltungen und in den Fachmedien. In den einzelnen Unternehmen sieht das in der Praxis allerdings ganz anders aus. Die jüngsten Datenauswertungen beim Marktspiegel Werkzeugbau ergaben nämlich, dass 71 % der Mitgliedsunternehmen aus dem Werkzeug-, Modell- und Formenbau derzeit noch keine Vorstellung haben, wie sie mit dem Thema Digitalisierung umgehen wollen.
Jens Lüdtke, Vorstandsmitglied der Marktspiegel Werkzeugbau eG und Teil des dreiköpfigen Gutachterteams beim Marktspiegel, ist in seiner Beratungstätigkeit als Leiter von Tebis Consulting häufig vor Ort in den Unternehmen. Aus seiner Sicht liegt die Herausforderung für die Unternehmensführungen im ersten Schritt darin, herauszufinden, wohin sich das eigene Unternehmen entwickeln soll. Wichtige Fragen, die sich jeder Verantwortliche stellen muss, sind beispielsweise:
„Was macht mein Unternehmen in 10 Jahren? Welche Produkte fertigen wir? Mit welchen Kunden arbeiten wir zusammen? Und: Wie sieht das Geschäftsmodell aus?“ Lüdtke erklärt: „Der Weg zu Industrie 4.0 beginnt mit einer klaren Vision und einer konsequent daraus abgeleiteten Strategie. Ansonsten besteht die Gefahr, dass purer Aktionismus entsteht. Und der ist oft wenig zielführend.“
Beim Marktspiegel Werkzeugbau werden jährlich Werkzeug-, Modell- und Formenbauer sowie Serienfertiger aus dem deutschsprachigen Raum anhand einer streng anonymisierten Datenerhebung analysiert und nach ihrer Wettbewerbsfähigkeit bewertet. Das Ziel der Initiatoren ist, die Ergebnisse aus der Datenanalyse der Branche wiederum zur Verfügung zu stellen. Damit können die Entscheidungsträger in den Unternehmen aus konkreten Kennzahlen Trends in der Branche ableiten. So schafft der Marktspiegel Werkzeugbau eine valide Grundlage für Zukunftsentscheidungen.
Moderne und zukunftsträchtige Tool sind im Einsatz
Für Lüdtke zeigt sich in den Benchmark-Auswertungen aus dem Jahresabschluss 2019 im Bereich der Digitalisierung und Automatisierung insgesamt ein positiver Trend. So gaben 77,4 % der Unternehmen an, dass sie bereits einzelne moderne Tools zur Digitalisierung einsetzen.
Darunter fallen zum Beispiel Augmented-Reality-Lösungen zur Qualitätssicherung, softwaregestütztes und vernetztes Werkzeugmanagement, Virtual-Reality-Lösungen zur Werkzeugabnahme sowie der Einsatz mobiler Endgeräte in der Fertigung. Für Lüdtke zeigt das Ergebnis, dass einzelne Tools für die Unternehmer eher greifbar sind und somit leichter integriert werden können als übergreifende Gesamtlösungen.
Automation gewinnt zunehmend an Bedeutung
Dass sich die Branche auf einem guten Weg befindet, zeigt auch die nächste Kennzahl. Rund 58 % der Unternehmen, die 2020 beim Marktspiegel Werkzeugbau Benchmark teilgenommen haben, gaben an, bereits eine Palettierung, ein Roboter oder ein Handlingsystem einzusetzen.
Für Lüdtke ein guter Wert, der beweist, dass Automation zunehmend an Bedeutung gewinnt. „Automationslösungen sind in den Werkzeug-, Modell- und Formenbau-Unternehmen etabliert und verbreitet und ein entscheidender Faktor für die Zukunft“, berichtet Lüdtke. „Ich bin mir zudem sicher, dass dieser Prozentsatz schon in naher Zukunft deutlich höher ausfallen wird.“
Der Einsatz von Automationslösungen führt dazu, dass mit weniger Maschinen und weniger Manpower mehr Produktivität erreicht werden kann. Und wer eine höhere Maschinenauslastung erzielt, profitiert von geringeren Maschinenstundensätzen und damit auch von einer höheren Wettbewerbsfähigkeit. Selbst dann, wenn der Maschineninvest aufgrund der Automation höher ausfällt.
Auch die Flexibilität ist nach Aussage des Experten ein großer Zugewinn. Mit Palettierung, Roboter oder Handlingsystem sind die Betriebe in der Lage, die Bearbeitung auf der Maschine flexibel zu unterbrechen und Werkstücke zu tauschen – ohne großen Effektivitätsverlust. Aus diesem Grund sollten Unternehmer vor einer Neuanschaffung immer konstruktiv prüfen, ob eine Maschine mit Automation langfristig vielleicht eine wirtschaftlichere Option darstellen kann.
Rüstprozess- und Nullpunktspannsysteme bilden die Basis
Damit Automatisierung in den Unternehmen Einzug halten kann, müssen zunächst erst die Voraussetzungen geschaffen werden. So haben bereits rund 81 % der Unternehmen beim Marktspiegel ein Rüstprozesssystem oder ein Nullpunktspannsystem im Einsatz. Lüdtke erklärt: „Das Rüstprozesssystem ist eine technologische Basis für den sinnvollen Einsatz von Automation.“
Externer Rüstprozess noch nicht ausreichend etabliert
Das Ergebnis ist laut Einschätzung des Experten mit rund 81 % gut. Handlungsbedarf sieht Lüdtke allerdings an anderer Stelle: „Viele der Betriebe verfügen zwar über ein Rüstprozesssystem, nutzen das aber noch nicht für den externen Rüstprozess. Ich empfehle deshalb, den externen Rüstprozess voranzutreiben und damit organisatorisch wie technologisch die Basis für den Ausbau der Automation zu schaffen.“
Laut Lüdtke haben sich die Unternehmen in den vergangenen Jahren im Bereich der Digitalisierung und Automatisierung merklich weiterentwickelt. Insgesamt gewinnt dieser Bereich seiner Auffassung nach immer mehr an Bedeutung. Da Industrie 4.0 einen bedeutenden Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Zukunftssicherung des eigenen Unternehmens hat, lautet sein Rat für die Unternehmer, diese Themen weiterhin dringend im Fokus zu halten.
Kontakt:
www.marktspiegel-werkzeugbau.com