Qualitätsprüfungen sind in der Produktion zur Sicherung der Qualität unumgänglich. Um den Prüfaufwand dabei möglichst gering zu halten, werden in der Großserienproduktion Stichprobenprüfungen eingesetzt. Trotz des verringerten Prüfumfangs erlauben sie statistisch begründete Aussagen über die Produktqualität.
In der Variantenproduktion können Stichprobenprüfungen jedoch nicht ohne weiteres durchgeführt werden. Insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen ist oftmals das für eine Stichprobenprüfung benötigte statistische Wissen oder die Personalkapazität nicht vorhanden.
Durch die hohe Variabilität ist daher vor allem bei geringen Stückzahlen der einzelnen Varianten eine 100-Prozent-Prüfung mit vollständiger Prüfung aller Prüfmerkmale üblich. Dieser hohe Prüfumfang stellt für kleine und mittlere Unternehmen einen unmittelbaren Nachteil in der Wettbewerbsfähigkeit dar.
Im Forschungsprojekt „APProVe“ wurde deshalb in den vergangenen zweieinhalb Jahren ein Verfahren entwickelt, um eine Reduktion des Prüfaufwands auch in der Variantenproduktion zu ermöglichen. Es setzt auf die adaptive Prüfung, bei der die Prüfumfänge auf Grundlage bereits aufgenommener Prüfprozessdaten bestimmt werden.
Die Verringerung des Prüfaufwands erfolgt dabei in drei Schritten: der Definition von Schlüsselmerkmalen, der Bildung von Mischlosen sowie der Bestimmung von Stichprobenumfängen und der Angabe eines Risikokennwerts. Bei der Definition von Schlüsselmerkmalen werden diejenigen Merkmale als Prüfmerkmale ausgewählt, welche alle relevanten Informationen über das Bauteil repräsentieren.
Die Bildung der Mischlose zielt darauf ab, ähnliche Varianten zu einem gemeinsamen Los zusammenzufassen. Durch den so vergrößerten Losumfang wird eine Stichprobenprüfung ermöglicht.
Im letzten Schritt wird für jedes Schlüsselmerkmal in den einzelnen Mischlosen der Stichprobenumfang ermittelt. Weiter wird das Risiko für Fehlentscheidungen angegeben, welches durch die Verringerung des Prüfumfangs im Vergleich zu einer 100-Prozent-Prüfung aller Merkmale entsteht. Die entwickelten Algorithmen zur Verringerung des Prüfaufwands basieren auf Machine-Learning-Methoden, wie Gruppierungs-Algorithmen, und statistischen Verfahren.
Um das Verfahren für die praktische Anwendung greifbar zu machen, wurden die Algorithmen in der frei zugänglichen Programmiersprache „R“ umgesetzt und in einer Web-App zusammengefasst. Die Web-App ist lizenzfrei und ermöglicht eine adaptive Prüfplanung, auch ohne statistische Vorkenntnisse und hohen Personaleinsatz.
Die Web-App führt die Anwendenden durch die verschiedenen Schritte zur Prüfplanung und stellt im Anschluss einen Prüfplan zum Download bereit. Es besteht sowohl die Möglichkeit, eine voll automatisierte Auswertung durchzuführen, als auch einzelne Einstellungen manuell vorzunehmen.
Erste Anwendungen der Web-App innerhalb der Unternehmen des projektbegleitenden Ausschusses zeigten, dass eine Verringerung des Prüfaufwands um bis zu 90 Prozent theoretisch möglich wäre. Durch eine solche Aufwandsreduzierung ergibt sich für die kleinen und mittleren Unternehmen eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch entlastetes Prüfpersonal, erhöhte Ressourceneffizienz und reduzierte Produktionskosten.
Das Forschungsprojekt „APProVe“ war im März 2019 gestartet und wurde im August 2021 mit der Durchführung des abschließenden Treffens des projektbegleitenden Ausschusses beendet.
Es wurde in Zusammenarbeit des Lehrstuhls für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement des Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen sowie den Unternehmen GFE Präzisionstechnik Schmalkalden GmbH, iqs Software GmbH, Lauscher Präzisionstechnik GmbH, OVALO GmbH, PFW Aerospace GmbH, TCG UNITECH GmbH, Tebit GmbH & Co. KG, Transfact GmbH und Q-Das | Hexagon durchgeführt.
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