„Laut der Bundesregierung soll Deutschland bis 2045 klimaneutral sein. Es ist deshalb unerlässlich, sich damit auseinanderzusetzen, welchen Einfluss der Faktor Nachhaltigkeit auf unsere Branche hat“, erklärt Tebis-Consulting-Leiter Jens Lüdtke zur Einführung. In der KMU-geprägten Werkzeug-, Modell- und Formenbau-Landschaft im deutschsprachigen Raum bedeutet das vor allem, Ansätze für kleinere und mittlere Unternehmen zu erörtern.
Wirtschaftliche Tätigkeit für das Gemeinwohl
In seinem Impulsvortrag referierte Werner Furtner von der Gemeinwohl Ökonomie Bayern (GWÖ) über Nachhaltigkeit als Teil eines übergeordneten Wirtschaftsmodells, das Markterfolg und Gemeinwohl zusammenführt. Dass wirtschaftliche Tätigkeit dem Gemeinwohl dienen soll, steht in der Bayerischen Verfassung. Geld ist dabei nur Mittel, um Gemeinwohl zu erreichen. So weit zumindest die Theorie – in der Praxis sieht das freilich meist anders aus.
„Wir können aber nicht einfach zu einem anderen Planeten springen, wenn es uns auf der Erde nicht mehr gefällt“, ermahnt Furtner deswegen. Deutschland hat dieses Jahr in nur 124 Tagen bereits alle Ressourcen aufgebraucht, die rein rechnerisch für 2022 zur Verfügung stehen sollten.
„Wenn sich dieser Trend fortsetzt, brauchen wir bald drei Erden“, so Furtner. Diese gibt es nicht – also gilt es, zu „vermeiden, verringern, verwerten“. Unternehmen sind laut Furtner nur langfristig zukunftsfähig, wenn sie den Gedanken des Gemeinwohls in ihre Strategie integrieren. Schwarz-Weiß-Denken ist dabei aber nicht angebracht, vielmehr müssen individuelle Lösungen her.
Nachhaltigkeit als Forderungen für Lieferanten
Über derartige Lösungen diskutierten mit Furtner im Anschluss Johannes Engl, Geschäftsführer Hanns Engl Werkzeugbau, Timo Heutmann, Manager des strategischen Projekts Nachhaltigkeit der DMG MORI Aktiengesellschaft, und Michael Verhoeven, Director Purchasing Europe bei Plastic Omnium.
Heutmann und Verhoeven gaben dabei Einblicke, wie das Thema Nachhaltigkeit in internationalen Konzernen angegangen werden kann. Bei DMG MORI werden alle Entscheidungen auch vor dem Hintergrund des Nachhaltigkeitsgedankens getroffen und alle Hierarchien im Unternehmen bei der Umsetzung mit eingebunden.
„Der interne Hebel kann gut gezogen werden, aber eine klimaschonende Fertigung auch bei den Lieferanten durchzusetzen ist eine große Herausforderung“, führt Heutmann aus. Welche Lieferanten ausgewählt werden, hängt entsprechend von deren CO2-Fußabdruck ab – dass dieser transparent dargestellt werden kann, ist unerlässlich. Laut der Umfrage von Tebis Consulting bei der Veranstaltung sind dazu aktuell aber nur etwa ein Viertel der Unternehmen in der Lage. Hier besteht also noch großer Handlungsbedarf.
Dem stimmt auch Verhoeven zu. Beim Hersteller von u. a. Kunststoff-Bauteilen, Brennstoffzellen und Beleuchtungssystemen wird Nachhaltigkeit mit Zulieferern partnerschaftlich umgesetzt: „Es wäre utopisch, sofort absolute Klimaneutralität zu fordern. Stattdessen findet da durchaus eine gemeinsame Entwicklung statt. Für unsere Zulieferer bedeutet das dennoch, dass sie genau jetzt die Weichen für ein nachhaltigeres Wirtschaften stellen müssen – sonst sind sie in ein paar Jahren abgehängt.“
Bei den Konzernen ist das Thema folglich bereits angekommen: Gebrauchte Maschinen werden aufgerüstet, Rezyklate verwendet, Verpackungsmaterial eingespart. Kurzum: „Ressourceneffizientes Wirtschaften steht ganz im Mittelpunkt“, erläutert Heutmann. In Zukunft werden Konzerne mit klaren Nachhaltigkeitsforderungen an ihre Zulieferer herantreten: Dass Treibhausemmissionen transparent berechnet und dargestellt werden, ist dabei nur der erste Schritt. „Wir werden von unseren Lieferanten entsprechende Nachweise einfordern“, so Verhoeven.
Vier Stellhebel für mehr Nachhaltigkeit
Als Geschäftsführer eines Familienunternehmens mit 20 Mitarbeitenden, das auf die Fertigung von Druckguss- und Spritzgusswerkzeugen spezialisiert ist, steuert Johannes Engl eine mittelständische Perspektive bei: Gemeinwohl in einem kleinen Unternehmen – für ihn notwendig und machbar. „2003 bin ich das erste Mal mit der Gemeinwohlökonomie in Kontakt gekommen und habe seitdem das Unternehmen daraufhin ausgerichtet.“
Nachhaltigkeit – das geht Engl zufolge nicht von heute auf morgen, sondern Schritt für Schritt. Der erste kleine Schritt ist simpel: Transparenz schaffen. Die Produktion dann hin zu mehr Energieeffizienz zu optimieren, hat in der Regel große Auswirkungen, ebenso wie ein möglichst hoher Grad an regenerativer Eigenenergieerzeugung.
Bei noch offenen Energiebedarfen sollte man auf Ökostrom setzen: „Das ist simpel, bewirkt aber trotzdem viel“, findet Engl. Wo CO2-Emissionen nicht zu vermeiden sind, sollten zumindest Kompensationszertifikate der Standard sein. Damit sind die vier wichtigsten Stellhebel benannt. Viele Unternehmen setzen bereits einige Aspekte um. Um daraus jedoch tatsächlich einen Wettbewerbsvorteil zu generieren, bedarf es einer klaren Nachhaltigkeitsstrategie, die aktuell vielen noch fehlt.
Die Zukunft im Blick haben
Dass Gemeinwohl und Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung gewinnen und bald auch eindeutige Erfolgsfaktoren sein werden, darin sind sich alle Diskussionsteilnehmer einig. Am Ende der Gesprächsrunde standen sie weiterhin in Breakout-Räumen zur Verfügung, beantworteten Fragen und gaben Tipps, wie Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit zu Vorreitern werden können.
Wer die Veranstaltung verpasst hat, findet auf der Homepage von Tebis Consulting einen Videozusammenschnitt der wichtigsten Statements. Und die nächste Veranstaltung steht bereits in den Startlöchern: Am 15. November wird sich wieder alles um das Motto „Zukunft im Visier“ drehen.
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