Wie kann die Produktion der Zukunft aussehen?

Die WGP (Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik) hat sich im Rahmen ihres Jahreskongresses 2022 Mitte Oktober in Stuttgart mit dem Thema „Produktion im Grenzbereich – Strategien zur Verwendung von Daten in Planung und Produktion“ auseinandergesetzt.

5121
Auf dem WGP-Jahreskongress werden aktuelle Forschungsergebnisse diskutiert. (Bildnachweis: Maxim Beck, IFU Stuttgart)

Mit Blick auf die neue weltwirtschaftliche Situation und dem Ziel, resiliente Produktionssysteme und Wertschöpfungsketten zu schaffen, präsentierten Nachwuchsforschende zahlreiche innovative Lösungen auf den Gebieten Künstliche Intelligenz und neuartige Ansätze in der Produktionsplanung.

„Die Assistenten und Assistentinnen der WGP-Institute haben hochaktuelle und strategisch wichtige Themen unseres industriellen Umfeldes aufgegriffen, und zum Teil auch recht kurzfristig in die Praxis umsetzbare Lösungen aufgezeigt“, freut sich Prof. Mathias Liewald, Leiter des Instituts für Umformtechnik (IFU) der Universität Stuttgart und Mitorganisator des zweitägigen Kongresses.

Tatsächlich sehen deutsche Unternehmensvertreter laut einer aktuellen Studie des Unternehmensversicherers Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) aus dem Jahr 2022 die bei weitem größten Geschäftsrisiken der kommenden zwölf Monate in einer Betriebsunterbrechung. Das fürchten 55 Prozent der Befragten, womit diese Sorge noch weit vor der Furcht vor einem Cyberangriff liegt.

Das Ergebnis verwundert nicht, sind doch solche Unterbrechungen und deren wirtschaftliche Auswirkungen im Rückblick auf die Jahre 2020 und 2021 realistisch und auch im laufenden Jahr zu beobachten. Eine der Hauptursachen für Unterbrechungen der Produktion sind Lieferprobleme von speziellen Bauteilen, Materialien oder mikroprozessorgesteuerte Elektronikkomponenten.

Neue Ansätze für globale Produktionsnetzwerke

Künftig müssen Unternehmensentscheidungen daher genau koordiniert und mehr als bislang auf das globale Produktionsnetzwerk (GPN) hin ausgerichtet werden. Nur so ist eine flexible, auf äußere Umstände ausgerichtete Produktion möglich. Ein Team vom Institut für Produktionstechnik (wbk) Karlsruhe entwickelte daher einen kontinuierlichen Prozess, um GPN möglichst reaktionsfähig auf vorhersehbare ebenso wie unvorhersehbare Einflussfaktoren zu machen. Dazu erstellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anhand solcher Faktoren spezifische Szenarien, die mithilfe eines Digitalen Zwillings in die Planung des GPN einflossen.

Intelligente Demontage macht Kreislaufprozesse möglich

Prof. Mathias Liewald, Mitorganisator des WGP-Jahreskongresses und Leiter des Instituts für Umformtechnik (IFU), Universität Stuttgart (Bildnachweis: IFU Stuttgart)

Auch nachhaltige, ressourcenschonende Produktion ist eine neu in den Fokus gerückte Zielgröße der Produktionstechnik. In Stuttgart berichteten WGP-Forschende beispielsweise über nachhaltige Ansätze in Bezug auf die Demontage teurer Investitionsgüter. Sie ist gekennzeichnet durch eine starke Unsicherheit bezüglich des Produktzustandes und möglicher Schadensbilder, die die Aufbereitung erschwert.

Nachwuchstalente vom Institut für Montagetechnik (match) Hannover entwickelten daher am Beispiel von Flugzeugtriebwerken neue Standards zur Bewertung des technischen Zustands der zu recycelnden Komponenten. Denn trotz der rasanten Zunahme der Sensortechnik zur Zustandsüberwachung, ist es aufgrund zahlreicher Störeinflüsse bislang nur möglich, spontan auf den Zustand des Produktes zu reagieren.

Das Team aus Hannover konnte anhand von betrieblichen Nutzungsdaten und Maschinellem Lernen die Demontagekräfte und -zeiten vorhersagen und mit diesem Wissen angepasste, bauteilschonende Demontageprozesse planen. „Dieser Forschungsrichtung wird in der WGP aktuell eine hohe Bedeutung beigemessen, da wir hier in allen Produktionstechnologien gefordert sind“, betont Liewald.

Personalentwicklung angesichts von Fachkräftemangel

Mit Blick auf den bereits in vielen Unternehmen spürbaren Fachkräftemangel wurde auch die Personalfrage beziehungsweise Weiterqualifizierung der Belegschaft thematisiert. Vom Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFA) Hannover wurde ein neuer, wissenschaftlich orientierter Ansatz vorgestellt, bei dem auf der Grundlage von Produktionsplänen die Personalentwicklung nachhaltig geplant werden kann.

Dabei werden die organisatorischen und fachlichen Voraussetzungen zur vollständigen und termingerechten Bearbeitung des Auftrags analysiert und mit den Kompetenzen und Fähigkeiten der Mitarbeitenden abgeglichen. Auf diese Weise kann in der Planungsphase von Aufträgen die Frage beantwortet werden, ob im Unternehmen alle erforderlichen Kompetenzen rechtzeitig verfügbar sind. Zudem lässt sich Personalentwicklung und -qualifikation gezielter planen.

Die aktuellen Paradigmenwechsel in der Produktionstechnologie hin zu Resilienz und Nachhaltigkeit implizieren immer dringlicher interdisziplinäre Forschungen. „Die Produktionswissenschaft beantwortet nicht mehr nur Fragen zu innovativen Technologien. Sie muss sich angesichts der aktuellen Entwicklungen vielmehr in Zusammenhang mit übergeordneten Fragestellungen definieren und diese in interdisziplinären Teams beantworten“, resümiert Liewald.

„Diese aktuellen Tendenzen spiegeln sich im diesjährigen WGP-Jahreskongress sehr deutlich wider. Unsere Forschungsarbeiten leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Anpassung der Produktion an die Herausforderungen unserer Zeit.“

Der Veranstalter weist darauf hin, dass sämtliche Vorträge in einer Zusammenfassung beim Springer-Verlag veröffentlicht werden.

Kontakt:

www.wgp.de