Naturfaser-Bearbeitung: Schnell und hochwertig

Der Firma Germa Composite aus Pulheim gelang es in Teamwork mit der bayrischen HG GRIMME SysTech, das Besäumen von Karosserie-Bauteilen aus Naturfaserverbundmaterialien zu beschleunigen und zu automatisieren.

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Germa Composite stellt aus Naturfasern vor allem Karosseriebauteile her. Im Bild: eine Innenverstärkungsschale für eine Fahrzeug-Fronthaube. (Bildnachweis: HG GRIMME SysTech/Kai Rüsberg)

Es ist eine der typischen Erfolgsstorys, die man gerne in der Zeitung liest: 2010 in einer Garage gegründet, heute ein mittelständisches Familienunternehmen mit guter Auftragslage. Vor allem der Autoindustrie und dem Motorsport verdankt die Germa Composite GmbH aus Pulheim (bei Köln) den Aufstieg zum mittelständischen Composite-Spezialisten. Die Kernkompetenz liegt in der Herstellung von High-Performance-Bauteilen, die aus mit Harz getränkten Fasermatten im beheizbaren Druckbehälter (Prepreg-Autoklaven) unter Vakuum, Überdruck und Wärme gehärtet werden.

Naturfaser-Boom erfordert Prozessbeschleunigung

„Mit seinen spezifischen Eigenschaften eignen sich Naturfasern für viele Anwendungen – nicht nur im Motorsport oder im Serienfahrzeug.“ – Jörg Gehrmann, Geschäftsführer Germa Composite GmbH (Bildnachweis: HG GRIMME SysTech/Kai Rüsberg)

Zwei Autoklaven stehen in der Produktionshalle, an denen Geschäftsführer Jörg Gehrmann den jüngsten Trend erklärt: „Neuerdings härten wir hier drin immer öfter Composites mit Naturflachfasern aus, auf die wir uns vor rund zwei Jahren neben anderen Fasern zusätzlich spezialisiert haben. Wegen des Booms geht der Trend aktuell hin zu immer größeren Serien bis zur Losgröße 1000, wegen denen wir den Prozess nun weiter automatisieren.“

Das betrifft auch die Nachbearbeitung der in den Autoklaven gehärteten Fasermaterialien, die bisher entweder manuell oder auf einer großen CNC-Fräsmaschine ablief. „Unsere große, schwer gängige Portalfräsmaschine eignet sich mit ihrem sehr großen Bearbeitungskopf eigentlich nur für einfache XXL-Bauteile“, erklärt Jörg Gehrmann. „Wir fertigen jedoch immer mehr Bauteile mit sehr komplexen Geometrien. Dafür brauchen wir eine Maschine mit kleinem, wendigen Bearbeitungskopf und sehr schnellem Vorschub.“

Empfehlung aus Süddeutschland

Über eine Empfehlung aus der süddeutschen Automobilindustrie lernt Jörg Gehrmann die HG GRIMME SysTech GmbH aus Wiedergeltingen (Unterallgäu) kennen, die seit rund 35 Jahren CNC-Maschinen unter anderem zum Fräsen von Kunststoffen und Verbundwerkstoffen herstellt. So fräst ein bekannter Fahrzeughersteller mit mehreren Anlagen aus Wiedergeltingen bereits serienmäßig CFK-Rahmenteile.

Nach einem Benchmark mit Wettbewerbsprodukten entscheidet sich das CNC-Team der Germa Composite schließlich für ein 5-Achsen-CNC-Gantry-Fräsanlage von HG GRIMME SysTech mit einem in zwei Arbeitsbereiche teilbaren Tisch. Für sie spricht: Es ist eine freistehende Maschine, die sich ohne Bodenvorarbeiten installieren ließ.

Markus Schmaling, Abteilungsleiter CNC (li) und Dominik Münch, Teamleiter Assembly, schätzen an der HG GRIMME-Maschine den großzügigen Arbeitsraum, der effektives und ergonomisches Arbeiten erlaubt. (Bildnachweis: HG GRIMME SysTech/Kai Rüsberg)

Zum Einsatz kommt eine Eigenentwicklung von HG GRIMME: ein einseitig gelagerter Fräskopf mit hochdynamischen Drehachs-Getriebe. Beim Blick in den Maschinenraum fällt auf: Im Gegensatz zu anderen Maschinen bewegt sich der Balken mit dem Fräskopf nicht von vorne nach hinten und retour, sondern von links nach rechts.

Für die Maschine sprach laut Jörg Gehrmann der kleine, flexible Fräskopf, der im Pendelbetrieb die Nachbearbeitung von zwei nebeneinander im Arbeitsraum auf zwei Vakuumspanntischen aufgespannten Werkstücken erlaubt. Als positiv bezeichnet er außerdem, dass sich der Bearbeitungskopf um 550 Grad drehen lässt, so dass sich damit eigentlich fast alles in einer „Durchfahrt bearbeiten lässt“.

Saubere Schnittkanten und exzellente Oberflächen im Visier

Germa stellt aus Naturfasern vor allem Karosseriebauteile her. Bei diesen sogenannten Außenhautteilen (Exterieur) ist außer der präzisen Bearbeitung vor allem das Aussehen gefragt. „Wichtig sind für uns saubere Schnittkanten und qualitativ hochwertige Oberflächen“, erläutert der Geschäftsführer.

„Aktuell erzielen wir auf der HG GRIMME-Maschine bei Drehzahlen von 15.000 bis 25.000 Umdrehungen pro Minute sehr gute Schnittkanten und Oberflächen.“ Germa Composite-Geschäftsführer Jörg Gehrmann (Bildnachweis: HG GRIMME SysTech/Kai Rüsberg)

„Wir setzen dazu Spezialfräswerkzeuge ein, die aber nur mit hohen Drehzahlen optimale Ergebnisse liefern. Aktuell erzielen wir auf der HG GRIMME-Maschine bei Drehzahlen von 15.000 bis 25.000 Umdrehungen pro Minute sehr gute Schnittkanten und Oberflächen.“ Die Gantry-Maschine bietet bei einer Maximalspindeldrehzahl von 40.000 min-1 und einem Vorschubtempo von 80 m/min genügend dynamische Reserven.

Wie produktiv und ergonomisch die neue Investition arbeitet, zeigt ein Besuch in Pulheim: Ein Bediener legt zur Nachbearbeitung eine große Innenverstärkungsschale für eine Fahrzeug-Fronthaube auf eine Vorrichtung, die bereits in der Gantry-Anlage auf dem Vakuumspanntisch liegt. Während der Facharbeiter die Schale mit beiden Händen im Werkzeug positioniert, startet er die Vakuumpumpen mit einem Knieschalter: Der Spanntisch hält nun das Werkzeug mit der Schale vibrationsfrei fest, die Germa Composite in Losgröße 500 bis maximal 1000 herstellt.

Sechs Minuten statt zwei Stunden Nachbearbeitung

Der von HG GRIMME SysTech ebenfalls selbst entwickelte Bearbeitungskopf lässt sich um 550 Grad drehen, so dass sich damit vieles in einer „Durchfahrt bearbeiten lässt“. (Bildnachweis: HG GRIMME SysTech/Kai Rüsberg)

„Das Nacharbeiten dauerte früher eineinhalb bis zwei Stunden“, berichtet Gehrmann. „Nach Optimierung des CNC-Programms liegen wir aktuell bei unter sechs Minuten. Das sind eindeutige Vorteile bei der Geschwindigkeit und auch bei der Qualität.“ In dieser knappen Zeit gilt es, eine komplexe Form mit einer rund sieben Meter langen Kontur zu besäumen, Löcher auszuschneiden und Bohrungen zum Anbringen von Bauteilen zu fräsen.

Eine Lösung mit Robotern nahmen die Pulheimer vorher ebenfalls unter die Lupe, entschieden sich aber aus Kosten- und Qualitätsgründen schließlich für eine klassische Werkzeugmaschine. „Wir kamen mit dem Roboter nicht auf die Toleranzen und Wiederholgenauigkeit, die uns eine Gantry-Maschine bietet“, sagt der Geschäftsführer. „Außerdem ist eine Gantry-Maschine flexibler einsetzbar. So können wir auf ihr auch unsere Werkzeuge- und Vorrichtungen bearbeiten.“

Ein Tag Einarbeitung für neue Gantry-Anlage

Auch die Mehrkosten für Gantry-Anlage, Programmiersystem sowie der anstehende Schulungs- und Ausbildungsaufwand waren keine Hürden. So ist die neue HG GRIMME-Anlage mit demselben Programmiersystem wie die anderen Maschinen ausgestattet, so dass das Bedienungsteam sie sofort nutzen konnte. „Alles in allem fiel der Schulungsaufwand gering aus“, stellt der Germa-Chef zufrieden fest. „HG GRIMME hat unser Team so geschult, dass es die Maschine bereits am nächsten Tag produktiv bedienen konnte.“

Die neue HG GRIMME-Anlage ist mit demselben Siemens-Programmiersystem wie die anderen Maschinen von Germa Composite ausgestattet, so dass das Bedienungsteam sie sofort nutzen konnte. (Bildnachweis: HG GRIMME SysTech/Kai Rüsberg)

Den Einsatz erleichtert ein unauffälliger gelber Kasten, unten an der HG GRIMME-Anlage. Es handelt sich um einen sogenannten PLS-Laserscanner, der den Gefahrenbereich der Maschine überwacht. Dr.-Ing. Ingo Gehlhaar, Kundenbetreuer bei HG GRIMME SysTech: „Der optische Scanner stellt sicher, dass niemand im Arbeitsraum ist. Nach dem Einlegen des Teils drückt der Bediener „Zyklus Start“: Die Türen schließen sich und die Bearbeitung startet automatisch. Das spart viel Zeit.“ Außerdem lässt sich die Maschine so auch von ungeschultem Personal bedienen.

Eine besondere Herausforderung sind bei der Composite-Bearbeitung Späne und Stäube: Damit sie nicht die Antriebstechnik blockieren, sitzt diese in der Gantry-Maschine oben. Das Bedienpersonal wird durch eine besondere Einhausung vor gesundheitsschädlichen Stäuben geschützt. Zusätzlich wurde eine leistungsfähige, horizontale Absaugung installiert.

Prognose: Naturfaser für viele Anwendungen geeignet

Dominik Münch, Teamleiter Assembly (li.), und Markus Schmaling, Abteilungsleiter CNC, legen zur Nachbearbeitung eine große Innenverstärkungsschale für eine Fahrzeug-Fronthaube auf eine Vorrichtung, die bereits in der Gantry-Anlage auf dem Vakuumspanntisch liegt. (Bildnachweis: HG GRIMME SysTech/Kai Rüsberg)

Die Investition in die neue Gantry-Fräsmaschine war für Germa Composite nur ein weiterer Schritt in eine nachhaltigere Zukunft. Gehrmann: „Wir brauchen jetzt auch biokompatible Harzstoffe, um damit echt nachhaltige Bauteile herzustellen. Mit verbesserten Eigenschaften eignen sich dann Naturfasern für viele Anwendungen – nicht nur im Motorsport oder im Serienfahrzeug.“

HG GRIMME SysTech ist vom 25.4. bis 27.4.23 in Paris auf der JEC World in Halle 6, Stand G74.

Kontakt:

www.hg-grimme.de

www.germa-composite.de