Kollisionskontrolle mit 5G-Sensorik

Dank der schnellen Datenübertragung kann der neue Mobilfunkstandard 5G sicherstellen, dass Werkzeugmaschinen auf Veränderungen im Prozess reagieren können, noch bevor ein Bauteil beschädigt wird. Der Anwendungsfall der Kollisionsdetektion wird jetzt am Fraunhofer IPT in Aachen erforscht.

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Kollisionskontrolle mittels eines 5G-Sensors in Werkzeugmaschinen (Bildnachweis: Fraunhofer IPT/ Paperplane Productions)

Komplexe Produktionsprozesse in hochflexiblen und vernetzten Fertigungssystemen erfordern es, dass sämtliche Prozesse und verteilten Systeme ihre Daten extrem zuverlässig und mit nur geringen Verzögerungszeiten austauschen können. Für diese sogenannte »Ultra Reliable and Low Latency Communication« (URLLC) erarbeitet das 3rd Generation Partnership Project (3GPP), eine weltweite Kooperation für die Standardisierung von Mobilfunktechnologien, einen neuen Standard für zukünftige 5G-Produkte.

Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT und der schwedische Mobilfunkausrüster Ericsson erproben nun in Aachen die vorgesehenen URLLC-Funktionen anhand eines realen Produktionsszenarios zur Kollisionskontrolle in Werkzeugmaschinen.

Fertigungsprozesse wie das Fräsen hochkomplexer Bauteile zu beherrschen bedeutet vor allem, schnell Abweichungen in der Bewegung des Werkzeugs zu erkennen und darauf innerhalb weniger Millisekunden zu reagieren. Mit maschinenintegrierter Sensorik können Prozessdaten erfasst werden; der neue Mobilfunkstandard 5G kann sicherstellen, dass die gewonnenen Daten drahtlos so schnell und zuverlässig übertragen werden, dass die Werkzeugmaschine auf Veränderungen im Prozess reagieren kann, noch bevor das Bauteil beschädigt wird.

Im Anwendungsfall der Kollisionsdetektion, der jetzt in Aachen beispielhaft erprobt wird, erkennt ein Sensor die Kollision des Bearbeitungswerkzeugs mit dem Bauteil so schnell, dass die Maschine jederzeit rechtzeitig gestoppt werden kann. So lassen sich teils immense Schäden, beispielsweise an der Maschinenspindel, zuverlässig und ohne menschliches Eingreifen vermeiden.

5G-Testsystem erreicht im mmWave-Spektrum noch höhere Datenraten und geringere Latenzen

Ein neues modulares Testsystem von Ericsson dient dazu, den geforderten URLLC-Spezifikationen in diesem Anwendungsfall gerecht zu werden. Das Testsystem arbeitet dafür im Millimeter-Wellenlängenbereich (mmWave), einem neuen 5G-Spektrum mit Frequenzen zwischen 24 und 28 Gigahertz, das bei der Bundesnetzagentur ab sofort beantragt werden kann. Während sich mehr als 80 Firmen stationäre 5G-Systeme des Frequenzbereichs von 3,7 bis 3,8 Gigahertz in Deutschland gesichert haben, ist der Millimeter-Wellenlängenbereich in der Produktion bisher neu und kaum erprobt.

Der größere Spektralbereich erlaubt jedoch noch höhere Datenraten und geringere Latenzen als in die bisherigen Systeme, sodass auch besonders zeitkritische Anwendungen wie die Kollisionsdetektion nun umgesetzt werden können.

Kollisionsüberwachung in der Werkzeugmaschine dient als Blaupause für weitere zeit- und datenkritische Anwendungen

Das neue Ericsson-Testsystem im Millimeter-Wellenlängenbereich wird jetzt vom Fraunhofer IPT im Kontext des 5G-Industry Campus Europe getestet und erprobt. »Gerade der extrem latenzkritische Anwendungsfall der Kollisionsdetektion liefert uns eine gute Möglichkeit, die Potenziale des zusätzlichen Frequenzbereichs auszuschöpfen und industrielle Fertigungsprozesse bis an ihre Grenzen auszureizen«, sagt Jan-Peter Meyer-Kahlen, Leiter des Ericsson Forschungs- und Entwicklungsstandort Eurolab bei Aachen.

»So können wir nun auch Prozesse kontrollieren und steuern, die bisher aufgrund ihrer Komplexität technisch kaum zu beherrschen waren. Indem wir die enormen Datenmengen, die im Fräsprozess entstehen, innerhalb kürzester Zeit erfassen, verarbeiten und in die Werkzeugmaschine zurückspielen können, eröffnet 5G völlig neue Anwendungsfelder für unsere Projektpartner«, ergänzt Niels König, Koordinator des 5G-Industry Campus Europe am Fraunhofer IPT.

5G-Industry Campus Europe: Infrastruktur für die angewandte Forschung zur vernetzten, adaptiven Produktion

Mit dem 5G-Industry Campus Europe ging im Mai 2020 Europas größte 5G-Forschungsinfrakstruktur ans Netz. Dort erforscht und erprobt das Fraunhofer IPT gemeinsam mit seinen Aachener Forschungspartnern die ersten industriellen 5G-Anwendungen.

In insgesamt sieben Teilprojekten werden unterschiedliche Anwendungsszenarien von 5G-Sensorik für die Überwachung und Steuerung hochkomplexer Fertigungsprozesse über mobile Robotik und Logistik bis hin zu standortübergreifenden Produktionsketten untersucht. Außerdem testen die Aachener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Einsatz moderner Edge-Cloud-Systeme zur schnellen Verarbeitung von Daten, um die Potenziale von 5G in der vernetzten, adaptiven Produktion auszuschöpfen.

Der 5G-Industry Campus Europe wurde in einem geförderten Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) aufgebaut und zielt unmittelbar auf die Einführung des neuen Mobilfunkstandards in der produzierenden Industrie.

Interessierte Unternehmen und Forschungspartner, die sich informieren möchten, können das Konsortium über die Projektwebseite kontaktieren.

Projektkonsortium

  • Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT, Aachen (Projektleitung)
  • Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) e. V. an der RWTH Aachen
  • Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen
  • IT-Center der RWTH Aachen
  • Ericsson

Kontakt:

www.ipt.fraunhofer.de