„Seine extrem schnelle Auffassungsgabe und vor allem sein interdisziplinärer Blick auf die Dinge hat eine ganze Bandbreite an Innovationen nach sich gezogen“, berichtete Prof. Berend Denkena, Vizepräsident der WGP und Leiter des Instituts für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz-Universität Hannover.
Der Pandemie geschuldet, wurde die Preisverleihung nur in kleinstem Rahmen organisiert. „Insbesondere bei sich selbst optimierenden Fertigungssystemen hat er eine Schnittstelle zur Informatik geschaffen. Neben grundlegenden Aspekten konnten wir durch seine Arbeiten vor allem bei der praktischen Umsetzung der Systeme einen großen Schritt nach vorne machen.“
Mit Blick auf die Digitalisierung „müssen wir uns auf jeden Fall mehr an der Informatik ausrichten, etwa beim Machine Learning“, ergänzt Dr. Marc-André Dittrich. „Wir schauen als Fertigungstechniker noch zu oft nur darauf, was allein aus der Mechanik machbar wäre. Die interdisziplinäre Kooperation eröffnet uns hingegen neue Möglichkeiten.“
Das Arbeiten an den Schnittstellen der verschiedenen Fachrichtungen treibt er als Leiter des Bereichs „Produktionssysteme“ voran. Hier forschen die Mitarbeiter an der Optimierung von Fertigungssystemen und deren Steuerung: „Unser Ziel ist es, sich selbst optimierende Maschinen und Anlagen zu schaffen“, erläutert der Preisträger.
Seit der Übernahme der Leitung während seiner Promotion im Jahr 2015 hat er die Zahl der Mitstreiter von zehn auf 25 erhöhen können – ein in der Kürze der Zeit erstaunlicher Ausbau. „Darauf bin ich schon etwas stolz, aber diese Entwicklung lässt sich nicht auf eine Person herunterrechnen. Das haben wir im Team erreicht.“
Unter anderem hat Dittrich mit seinen Kollegen für die Verstetigung von Entwicklungsarbeiten an einer technologischen NC-Simulation für spanende Fertigungsprozesse gesorgt. Eine eigenständige Abteilung sorgt für deren ständige Weiterentwicklung.
Im Exzellenzcluster PhoenixD führt Dittrich darüber hinaus eine Task Group, die sich mit Qualitätsregelkreisen in der Fertigungstechnik beschäftigt: „Daten aus der Fertigung müssen intelligent miteinander verknüpft werden, um zu selbstlernenden Systemen zu kommen, die auch bei kleinsten Losgrößen eine effiziente Fertigung gewährleisten.“
Interdisziplinarität als Leitbild
Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Prozessrobustheit – der thematische Bogen bei Dittrichs Forschungen ist ungewöhnlich weit gespannt. Das Merkmal, das die gesamte Laufbahn von Dittrich kennzeichnet, ist dabei die Interdisziplinarität. „Ich hatte schon in der Schule keine Lieblingsfächer, weil mich alles interessiert hat“, blickt Dittrich zurück.
„Ich bin neugierig und schnell begeisterungsfähig – mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt.“ Seinem Werdegang hat es bislang offensichtlich nicht geschadet. Die Gedenkmünze ist sein dritter größerer Preis, den er erhalten hat – von den verschiedenen Stipendien mal abgesehen.
Bei der langen Reihe herausragender Erfolge bleibt die Frage, wo Dittrich selbst die Höhepunkte seiner bisherigen Laufbahn sieht. „Zunächst einmal gehört mein Studienaufenthalt am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA dazu. Dort ist in mir die Idee herangereift, in die Forschung zu gehen.“
Aufregend sind aber immer wieder das Vorstellen von eigenen Arbeitsergebnissen vor internationalem Fachpublikum. „Meine Ergebnisse zu präsentieren und diskutieren ist vorab immer mit einer gewissen Nervosität verbunden. Aber danach schlägt es um in Glücksgefühle.“
Dem war wohl auch 2019 so bei der Vorstellung des neuen Sonderforschungsbereichs SFB 1368 vor den Gutachtern. „Es war eine große Anerkennung, denn normalerweise machen das gestandene Professoren.“ Und es ist gutgegangen, der SFB wird seit 2020 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert: „Ein ziemlich gutes Gefühl“, meint Dittrich.
Sauerstofffreie Produktion
Aber der Wirtschaftsingenieur war schließlich in seinem Element – im SFB geht es um die interdisziplinäre Forschung, in diesem Fall um Grundlagenforschung zu sauerstofffreien Produktionsprozessen. „Das ist ein absolut spannendes Gebiet“, freut er sich. Er hat die Leitung eines Teilprojekts zur Zerspanung inne.
„Wir werden untersuchen, was genau passiert, wenn ohne Sauerstoff zerspant wird: Was passiert an der Schneidkante? Wie wirkt sich das auf die Späne aus beziehungsweise auf den Werkzeugverschleiß?“
Seine Aufmerksamkeit will der Nachwuchswissenschaftler unter anderem auf Titanspäne richten. Titan ist bekanntlich teuer und nicht recycelte Späne sind extreme Verschwendung. „Das IFW arbeitet bereits an Recyclingmethoden, aber das Potenzial zur Wiederverwendung hängt auch mit dem Grad der Oxidation zusammen. Wir wollen Titanspäne direkt recycelbar machen.“
Neugier als Antrieb
Aber auch seine Arbeit als Research Affiliate in der Internationalen Akademie für Produktionstechnik (CIRP, Collège Internationale pour la Recherche en Productique) empfindet der 34-Jährige als etwas ganz Besonderes: „Dort arbeite ich auf internationalem Level zusammen mit Leuten, die ihren Job schon lange machen und noch immer für ihn brennen. Das ist sehr anregend“, erzählt Dittrich.
Inspirierend scheint der Nachwuchswissenschaftler auch auf Studierende zu wirken. Die Lehrveranstaltungen im Bereich der Fertigung und deren Organisation, die er schon früh übernommen hat, sind jedenfalls beliebt. Hinzu kommt wohl, dass Dittrich stets ein offenes Ohr für seine Zuhörerinnen und Zuhörer hat – selbst, wenn es nichts mit der Vorlesung zu tun hat. „Ich bin während meines Werdegangs immer wieder auf Menschen gestoßen, die mich gefördert und mir weitergeholfen haben. Das möchte ich weitergeben.“
Aber es braucht auch Zeit – neben all den anderen Tätigkeiten. Wie er das alles schafft? „Das ist Neugier und der innere Antrieb, etwas Neues aufzubauen, das kein Strohfeuer ist“, formuliert es der Preisträger. Und dann ist da ja auch noch das Privatleben. „Das funktioniert natürlich nur, wenn man jemanden an seiner Seite hat, der genauso tickt. Meine Frau ist ebenfalls in der Forschung aktiv, das ist ein ganz großes Glück. Wir müssen beide immer mal wieder am Wochenende arbeiten.“
Wenn dann mal wieder irgendwann keine Pandemie ist, sind aber neben Spaziergängen mit seiner Frau auch wieder Fußball-Treffen mit Freunden oder ein Tennis-Match mit dem Kollegen aus dem Büro gegenüber drin – oder der Besuch im Jazzclub Hannover.
Wie es beruflich weitergehen soll? „Zunächst möchte ich meine Habilitation an der Leibniz Universität Hannover abschließen“, sagt Dittrich. „Das Produktionstechnische Zentrum bietet hervorragende Möglichkeiten für die Forschung und ich bin Professor Denkena für die Unterstützung sehr dankbar. Perspektivisch kann ich mir sowohl eine Tätigkeit in der Wirtschaft als auch in der Forschung vorstellen.“
Jetzt hat er jedenfalls erst einmal noch die Leitung eines Arbeitskreises übernommen – im neuen DFG-Schwerpunktprogramm FluSimPro. Es geht um den effizienten Einsatz von Kühlschmierstoffen und die Simulation der Fluiddynamik, auch so ein Schnittstellenthema zu anderen Fachdisziplinen.
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