KI: Raus aus der Theorie, rein in die Praxis

Künstliche Intelligenz in der Produktion wird selten angetroffen. Das will die WGP gemeinsam mit anderen Fertigungsexperten ändern, indem sie ein bundesweites Demonstrations- und Transfernetzwerk aufbaut.

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In Kaiserslautern wird an 5G-Anwendungen geforscht. (Bildnachweis: WZL, Peter Winandy)

Über Künstliche Intelligenz in der Produktion wird viel gesprochen, in der Praxis kommt sie aber noch zu selten an. Das will die WGP (Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik) gemeinsam mit anderen Fertigungsexperten ändern. „Wir bauen ein bundesweites Demonstrations- und Transfernetzwerk auf, das die Umsetzung von Beispielanwendungen in der Industrie praktisch begleitet“, berichtet Prof. Christian Brecher, Sprecher des Präsidialausschusses der WGP und Leiter des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen.

Prof. Christian Brecher, Sprecher WGP-Präsidialausschuss, Leiter des Werkzeugmaschinenlabors WZL, RWTH Aachen (Bildnachweis: WZL Aachen)

Sein Institut koordiniert die neue Initiative ProKI. „Die deutsche Industrie bleibt bislang hinter ihren Möglichkeiten zurück, ihre Produktion mit KI effizienter und flexibler zu gestalten. Wir wollen sie dazu befähigen, entsprechende Applikationen einzusetzen.“ Bei ProKI finden Interessierte an insgesamt acht Standorten in Deutschland nicht nur kostenfrei Rat, sondern auch ganz praktische Beispiele und Empfehlungen bei der Implementierung von KI in ihre Produktionslinien.

In den bereits laufenden Förderprojekten „Lernende Produktionstechnik – Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Produktion (ProLern)“ hatte sich gezeigt, dass es die bereits existierenden KI-Lösungen kaum aus den Hochschulen heraus in die produzierende Industrie schaffen. „Sie sind bei Unternehmern einfach nicht bekannt genug“, bedauert Christian Fimmers, Koordinator für ProKI beim WZL Aachen.

Dennoch ist man sich des Nutzens von Künstlicher Intelligenz für die Fertigung durchaus bewusst. Eine Befragung der 80 Teilnehmenden an der Auftaktveranstaltung im Umformbereich im Dezember 2022 brachte zutage, dass Unternehmen mit KI in erster Linie ihre Produktivität steigern wollen. An zweiter Stelle steht der Wunsch, die Ausschussquote zu verringern, gefolgt von planmäßiger Wartung.

Doch die Vorteile von Künstlicher Intelligenz reichen weit darüber hinaus, bis hin zu optimierter Qualitätssicherung und Werkstoffcharakterisierung oder auch der Minimierung von Prozessunsicherheiten und Maschinenausfallzeiten. Nach dem Start Ende vergangenen Jahres wurde in einem zweiten Schritt am 12. Januar 2023 ein sogenannter ProKI-InfoPoint in Darmstadt ins Leben gerufen.

Gestartet wird mit der Umformtechnik

In dessen Rahmen werden die Darmstädter Forschenden gemeinsam mit ihren Dresdner Kolleginnen und Kollegen jeden Monat eine Infoveranstaltung organisieren, bei der Anwender in kurzen Impulsvorträgen jeweils ein Schwerpunktthema behandeln. Über den Input können danach die Teilnehmenden ihre spezifischen Situationen mit einbringen und diskutieren. Dabei wird es ausschließlich um KI in der Umformtechnik gehen, denn dafür sind die Darmstädter und Dresdner die Experten innerhalb der WGP.

Christian Fimmers, Koordinator für ProKI am Werkzeugmaschinenlabor WZL, RWTH Aachen (Bildnachweis: privat)

Im Januar etwa stand die Frage im Mittelpunkt, wie man die Mitarbeitenden von den Vorteilen der KI-Anwendungen überzeugen kann. Immerhin sind auch für erfahrene Teams die Entscheidungen, die aus Künstlicher Intelligenz heraus getroffen werden, nicht immer nachvollziehbar. In diesem Jahr erfahren Teilnehmende unter anderem, wie sich die Verfügbarkeit ihrer Anlagen kostenoptimal steigern lässt, wie die Energieeffizienz in umformtechnischen Unternehmen gesteigert wird oder wie KI Unsicherheiten in Umformprozessen beherrscht.

Im Laufe der kommenden Wochen wird das kostenfreie Format auf weitere Forschungsstandorte mit deren jeweiligen Schwerpunkten ausgeweitet. Neben Umformen werden dann Fügen, Trennen und Beschichten in der Fertigung behandelt. Organisiert werden sie von denjenigen Zentren, die für das jeweilige Thema ausgewiesene Erfahrungen haben. Beteiligt sind Institute in Aachen, Berlin, Darmstadt, Dresden, Hannover, Ilmenau, Karlsruhe und Nürnberg.

„Neben den InfoPoints stellen aber alle Standorte auch Demonstratoren und Testumgebungen für produzierende Unternehmen bereit“, betont Fimmers. „Es geht bei ProKI wie gesagt hauptsächlich um den Transfer der neuen Technologien in die Praxis.“

ProKI auf eigene Füße stellen

Die Projekte werden bis Ende 2024 vom BMBF mit 17 Millionen Euro gefördert. „Das Interesse an den ersten Veranstaltungen war erfreulich groß“, resümiert Fimmers. „Es gab eine sehr positive Resonanz und zahlreiche Anfragen zu unseren Testumgebungen und zu weiterer Unterstützung beim Implementieren der neuen Technologien.“

Das ist auch der eigentliche Sinn und Zweck von ProKI: nicht nur über KI zu reden, sondern bestehende Lösungen in die industrielle Anwendung zu bringen. Die Projektleiter jedenfalls hoffen, dass das Projekt auf diese Weise auch nach der Förderphase weiterlaufen kann. Der deutschen Industrie könnte es zu einem klaren Wettbewerbsvorteil verhelfen.

Kontakt:

www.wgp.de